24. März 2018
Ein Wiedersehen nach 24 Jahren
Viktoria und Heinrich Lein im Neuen Schauspielhaus
Heute war ich im Neuen Schauspielhaus an der Rosenmauer in Uelzen zu Gast, um für mein Heimatblatt, die Allgemeine Zeitung der Lüneburger Heide (AZ) über den Auftritt von Viktoria Lein zu berichten, die ihr Solo-Programm „Singen Sie mal blond“ vorstellte. (Hier der Link zu diesem Bericht)
Was sich für mich erst im Verlauf des Abends herausstellte, als Viktoria Lein von sich und ihrem Mann Heinrich sprach, war: Die kenn ich doch schon! Aber wiedererkannt hatte ich die beiden nicht. Dazu ist die Zeitspanne einfach zu lang. Es war ein Freitag damals – Freitag, der 14. Oktober 1994. Unser Schamane, Uelzens verrücktes Huhn, Reinhard Schamuhn, lud ein zu einem fröhlichen Theaterabend im Kreativen Speicher.
Mit dabei: Elf ehemalige Schauspieler und Künstler vom Deutschen Schauspielhaus in Alma Ata (Kasachstan), die ab 1993 fast vollständig in den Westen übergesiedelt waren. Zu diesen Bühnen-Akteuren gehörten auch Viktoria und Heinrich Lein. FürJens Kunze war dieser Abend eine Regie-Premiere – es gab Gedichte und Balladen von Friedrich Schiller. Ich weiß noch, dass es in höchstem Maße ungewöhnlich war, Schillers Texte in dem ans Schwäbische erinnernde Wolgadeutsch dieser jungen Leute aus dem fernen Land zu hören. Vor allem „Der Becher“ gefiel mir sehr. Zur Eröffnung spielte das Jagdhornbläserkorps der Schützengilde.
Vorausgegangen waren diesem kasachischen Theaterabend ein Jahr zuvor die zweiwöchigen „Kasachischen Kulturwochen“ in Uelzen. Was Reinhard Schamuhn damals dazu bewogen hatte, wer ihn dazu inspirierte, wer die Verbindungen herstellte – ich weiß es nicht. Tatsächlich war damals ein Minister dabei und Rose Steinmark, die später zum kasachischen Fernsehen wechselte. Jens Kunze erzählte stolz, er habe von diesem Ereignis kistenweise Bilder – ich begnügte mich damit, einen Ordner auszuleihen und wählte daraus ein paar Dokumente und Fotos , die ich diesem Text hinzufüge.
Lother Ullrich begleitete ebenfalls dieses zweiwöchige kulturelle Ereignis. Ich habe allerdings nur den Link zu einem Text über diese Aktion des Uelzener TV-Chronisten gefunden – http://www.ue-tv.de/index.php?option=com_content&view=article&id=303:high-noon-auf-dem-hoehbeck&catid=28:rund-um-uelzen&Itemid=44 – nicht aber den Filmbericht als solchen.
Nun also steht diese Viktoria von damals als Kabarettistin, Sängerin, Schauspielerin, Komikerin und was dies Allround-Genie, dieses Temperamentsbündel sonst noch alles kann, auf der Bühne des Hauses, das es 1994 so noch gar nicht gegeben hatte, das eine reine Baustelle war, erst später zu dem Neuen Schauspielhaus wurde, als das wir es heute kennen. Beide standen sie z.B. in „Der Becher“ auf der Bühne, einer „Musikalisch-poetischen Vorstellung in einem Akt“ und war frei dem alten Schiller nachempfundenen. Es war dies – wie es ebenfalls damals auf dem Plakat stand – die „1. Aufführung in Deutschland mit Viktoria und Heinrich Lein“.
Am jetzigen Sonnabendabend saß / stand er am Mischpult und unterstützte seine Frau bei der Bühnen-Darstellung ihrer teilweise eigenen Lebens-Geschichte, die sie sich für ihr Soloprogramm auf den wohlgeformten Leib geschrieben hatte.
In diesen fast 25 Jahren seit ihrer Ankunft „im Westen“ haben die beiden sich mit großem Einsatz und viel Ausdauer einen guten Platz im „Show-Bizz“ erarbeitet: Sie ist in Funk und Fernsehen unterwegs, stand (und steht) vor Filmkameras, singt und spielt in mehreren musikalischen Formationen, unterhält auf Firmen-Präsentationen ebenso wie auf Brettl-Bühnen, ist der Star im Rampenlicht (www.viktoria-music.de bzw. www.viktoria-kabarett.de). Er managt mit seiner Künstler-Agentur „Leinup“ (http://www.leinup.de/startseite/) Sänger, Musiker, Schauspieler, Artisten – kurz, alles, was mit Kunst und Kultur im weiten Sinne zu tun hat. Sie haben es geschafft, haben sich „nach oben“ gekämpft.
Und doch: ohne dieses Theater der Russlanddeutschen in der ehemaligen Sowjetrepublik Kasachstan wären Viktoria und Heinrich sicher nicht das geworden, was sie heute sind. Es waren harte Zeiten damals. Die Obrigkeit hatte stets wenigstens ein Auge auf die bunte Schauspielerschar und spitzte bei jedem Auftritt alle Ohren, damit ihr keine noch so versteckte politische Anspielung entging. Zuerst bespielten die Akteure die Bühne des Theaters im Temirtau, später stand ihnen das Haus in Alma Ata zur Verfügung. Rose Steinmark (die auch Lothar Ullrich zu seinem Filmbericht ermunterte) hat die Jahre dieses Theaters in der reinen Sowjet-Zeit, in den Jahren des Umbruchs und der Perestroika bis hin zur Auflösung der Bühne mangels Darstellern beschrieben: (http://wolgadeutsche.net/steinmark/Steinmark_Theater.pdf). Es ist ein guter Beitrag zum Verständnis des kulturellen Lebens der Wolgadeutschen in der Sowjetunion. Rose Steinmark hatte durch ihre Arbeit für das Fernsehen in Kasachstan großen Anteil daran, dass Lothar Ullrichs Beitrag über Uelzen und die Kasachischen Kulturwochen von der dortigen Sendeanstalt ausgestrahlt wurde.
Ob es in 2019 – ein Vierteljahrhundert nach ihrem ersten Auftritt in Reinhard Schamuhns Theater – erneut zu einem Auftritt der beiden sympathischen Künstler kommt? Ich wünsche es mir. Vielleicht haben sie ja ihr Heimat-Deutsch noch nicht so ganz verlernt und können uns ein Stück aus den damaligen Kasachischen Kulturwochen präsentieren?